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Predigttext von Pastor Podszus am 24.4.2016 (24.04.2016)

12.05.2016

Predigt über Mt 11,28ff Kantate, 24.4.16 in Duingen und Weenzen (mit Taufe)

„Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet! Ich werde euch Ruhe geben. Lasst euch von mir in den Dienst nehmen, und lernt von mir! Ich meine es gut mit euch und sehe auf niemanden herab. Bei mir werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.“ (Mt 11,28 HFA)


Liebe Gemeinde,

in diesem großartigen, einladenden und wohltuenden Wort Jesus ist gleich zweimal von der „Ruhe“ die Rede: „Ich werde euch Ruhe geben.“
„Bei mir werdet ihr Ruhe finden für eure Seele“.

Manchmal ist das ja so, dass man bei einem einzigen Wort der Bibel hängen bleibt, darüber nachsinnt, immer und immer wieder, und spürt, dass dieses Wort gut tut…

„Ich werde euch Ruhe geben.“
„Bei mir werdet ihr Ruhe finden für eure Seele“.

Ich möchte Sie einladen, mit mir heute morgen bei diesem Wort “Ruhe“ ein wenig… „auszuruhen.“ I
ch könnte mir denken, dass dies überhaupt ein wesentlicher Grund, warum Menschen am Sonntagmorgen in den Gottesdienst gehen: damit sie zur Ruhe kommen, und zur Besinnung, wenigstens eine Stunde, wenn denn schon das normale Leben während

Woche in Familie und Schule und Beruf eher einem Hamsterrad gleicht.

Und auch wer diesen Lebensabschnitt schon hinter sich gelassen hat kennt möglicherweise dennoch eine innere, eher sorgenvolle Unruhe, die uns bisweilen nachts der Schlaf raubt.
I
ch habe einmal ein wenig nachgeschaut unter dem Stichwort „Ruhe“ und bin auf einer sehr interessante Erkenntnisse gestoßen:

Interessant ist die Feststellung des griechischen Philosophen Epikur, der schon im Jahre 300 vor Christus das Wesen und die Natur der Menschen betrachtet hat.
Dabei kommt er zu der erstaunlichen Feststellung:

„Bei den meisten Menschen ist die Ruhe nichts als Erstarrung und die Bewegung nichts als Raserei…“

Offenbar neigen die Menschen seit je her zu Extremen und es fällt ihnen schwer, eine gesunde Mitte zu finden zwischen Raserei und Erstarrung.

Der Philosoph Imanuel Kant, der ja bekanntlich viel von der Pflichterfüllung des Menschen hält, erlaubt sich die durchaus kritisch gemeinte Bemerkung:

„Faulheit ist der Hang zur Ruhe ohne vorhergehende Arbeit…“
Scheinbar will er damit sagen, dass der Mensch sich das Recht auf Ruhe erst redlich verdienen muss…
Und sicher tut man ihm nicht unrecht, wenn man ihm die Meinung unterstellt, dass Arbeit doch moralisch viel wertvoller ist als Ruhe.

Mag sein, dass genau dieses preußische Pflichtdenken bei sehr vielen Mensch Schuldgefühle verursacht, wenn sie mal nichts Vorzeigbares leisten und einfach nur die Seele baumeln lassen…

Woraus sollen solche Menschen in Zeiten der Krankheit ihr Selbstwertgefühl nehmen, erst recht sie erst einmal im Alter und im Ruhestand, dem großen Sabbat des Lebens?

Der Pädagoge Adolf Diesterweg vertritt sogar ganz grundsätzlich die Auffassung:

“Der Mensch ist nicht zur Ruhe bestimmt“.

Natürlich gibt es auch viele Aussprüche, die erkennen lassen, wie elementar wichtig die Ruhe für einen Menschen ist:

„In Ruhe Wurzeln schlagen kann nur, wer aufhört, sich ständig umzuschauen und herumzuziehen“.

So beschreibt bereits der antike römische Philosoph Seneca das Urbedürfnis des Menschen, irgendwo und irgendwann in dieser Welt auch einmal Wurzeln zu schlagen und innerlich und äußerlich zur Ruhe zu kommen.

Blaise Pascal, der große französische Mathematiker und Philosoph, bleibt allerdingst skeptisch, wenn er die innere Zerrissenheit des menschlichen Herzen so beschreibt:

"Die Menschen glauben aufrichtig, die Ruhe zu suchen und suchen in Wirklichkeit nur die Unrast"

Und ich finde, er hat da schon zu seiner Zeit etwas sehr Wahres beobachtet, auch wenn es damals noch keine Freizeitindustrie gegeben hat, die selbst die Freizeit und den Urlaub oft in Stress ausarten lässt.

Ein Mann packt vier große Koffer, drei kleine Kinder, zwei lebhafte Hunde, eine kritische Schwiegermutter und seine abgehetzte Frau ins Auto, gibt seinem Nachbarn die Hausschlüssel und sagt:

„Ich brauche mal von allem ein bisschen Abstand!”

Wir brauchen etwas Abstand und stürzen uns mitten ins Getümmel. Wir fahren in den Urlaub, aber es gibt „keine Erlaubnis“, sondern wir stehen unter Entfernungs- und Erlebnisdruck.

Anspannung und Entspannung, Herausforderung und Beruhigung, Nähe und Distanz sollten in unserem Leben ausgewogen sein.

Oft braucht man ein wenig Abstand, um die Familie, die Arbeit, die Verpflichtungen und sich selbst richtig einzuschätzen.

Wann kann ich mal einen Schritt zurücktreten aus der Alltagsmühle, wie kann ich etwas Abstand gewinnen von allem?
Um alles wieder richtiger zu sehen und dann wieder besser anzupacken zu können…
Noch nie waren die Menschen so gehetzt und umgetrieben, immer hinter irgendetwas her. Pausenlos unter Druck…
Und wenn mal von außen kein Druck da ist, setzen sie sich oft selber unter Druck.

So viele Dinge im Auge, die wir haben wollen. So viele Ängste im Herzen, etwas zu versäumen.

Ständig dringt es auf uns ein, was wir noch schaffen müssen, was wir nicht vergessen dürfen, was wir noch erreichen müssen, was wir nicht verlieren dürfen.

In den Familien ist das Gespräch auf Terminabsprachen reduziert. Eltern warten vergeblich auf einen Besuch der Kinder.
Alte und Kranke sehen alle nur noch vorbeieilen.

Wann kommen wir innerlich und äußerlich zur Ruhe?
Wann planen wir Pausen ein?
Wann nehmen wir uns Zeit füreinander, für uns selber, Zeit für das Leben?

Bei mir in Hildesheim gibt es direkt vor der Haustür ein italienisches Restaurant, das von seiner Geschäftsidee so eine Art Gegenentwurf sein will zu den Fastfood-Ketten überall.
Es heiß „VaPiano“ und das heißt: Es geht auch langsam.
Sein Motto lautet: „Chi va piano, va sano e va lontano“.
Das heißt übersetzt: „Wer langsam, geht, geht weit und geht gesund.“

Das erinnert mich an ein nette Geschichte:
An einem noch recht kalten Tag im späten Frühling begann eine Schnecke den Stamm eines Kirschbaums hinaufzuklettern.
Ganz langsam, Zentimeter um Zentimeter kroch sie nach oben.
Die Spatzen auf dem Nachbarbaum lachten über die langsame Schnecke.
Ein Spatz flog nahe an die Schnecke heran und piepste ihr zu:
„He, du Dummkopf, siehst du nicht, dass an dem Kirschbaum gar keine Früchte sind?”
Die Schnecke ließ sich überhaupt nicht beeindrucken und antwortete gelassen:
„Macht nichts, bis ich oben bin, sind welche dran!”

Auch im Leben geht selbst der Langsamste, der ein Ziel vor Augen hat, noch schneller, als der, der ohne ein Ziel herumsaust und hastig irgendwelchen Nichtigkeiten nachrennt.

Was aber von den kleinen Etappenzielen des Lebens gilt, das gilt nun auch von dem einen großen Ziel unseres Lebens.
Bekannt ist der Ausspruch des Kirchenvaters Augustinus:

„Dein ist das Licht des Tages,
dein ist das Dunkel der Nacht.
Leben und Tod sind in deiner Hand.
Dein sind auch wir und beten dich an.
Du, Herr, hast uns zu dir hin geschaffen, und unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in dir.
Lass uns ruhen in deinem Frieden
und Erwachen, dich zu rühmen.”

Es gibt offenbar nicht nur eine heillose Unruhe, sondern auch eine heilsame Unruhe des menschlichen Herzens.

Du, Herr, hast uns zu dir hin geschaffen, und unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in dir.
Damit ist nicht weniger gesagt als dies:
Der Menschen ist auf Gott hin geschaffen.

Und alle Sehnsucht, die uns umtreibt, meint letztlich die Sehnsucht nach Gott!

Alle Unruhe, die uns erfüllt, sucht letztlich die Ruhe in Gott.

Wie viele Menschen sind darum innerlich auf der Suche nach Sinn, nach Leben, nach Liebe, nach Hoffnung, nach Erfüllung, und sind in Wahrheit auf der Suche nach Gott.

Bei vielen geschieht dies eher unbewusst, manche sind aber auch sehr bewusst auf der Suche nach Gott, weil sie von einer heilsamen inneren Unruhe ergriffen sind.

Ihnen gilt das Wort Jesu, das uns Mut macht, dran zu bleiben am Suchen und Fragen, am Hoffen und Sehnen :

„Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan!“

Und ihnen gilt erst recht das einladende Wort Jesu:

„Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet!
Ich werde euch Ruhe geben.
Lasst euch von mir in den Dienst nehmen, und lernt von mir!
Ich meine es gut mit euch und sehe auf niemanden herab.
Bei mir werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.“

Bei Jesus können wir zugeben, dass wir nicht immer in Hochform sind.

Bei Jesus müssen wir nicht ständig abwehren und sagen: es geht schon.
Bei Jesus können dürfen wir zugeben, dass wir oft mir unserer Kraft ganz schön am Ende sind.

Bei Jesus dürfen wir auch die Last unsere Schuld und unserer Versäumnisse ablegen.

Bei Jesus dürfen wir unser Ängste loslassen und unsere Sorgen gleich mit.

Glaubenshilfe ist immer auch Lebenshilfe.

Innerlich und äußerlich loslassen, bei Gott zur Ruhe komme, das tut gut, an Leib und Seele.

Lebendiger Glaube an Jesus Christus entlastet, und befreit zu einem neuen unbeschwerten Leben.

Ich schließe mit einigen Versen, die dieses wunderbare einladende Wort Jesu noch einmal zusammenfassen:

Sind wir das denn: belastet und "beladen"?
Wer spricht es aus, dass er in Mühsal steckt?
Wir tarnen uns mit Masken und Fassaden
und halten Herz und Seele gut bedeckt.
Von Schuldenlast und -angst soll niemand wissen!
Du schiebst sie weg, beachtest sie nicht mehr.
Doch Schuld ist Schuld und hat dich längst zerrissen und erst verdrängt, bedrückt sie doppelt schwer!

Vielleicht ist's hilfreich, einmal zu erkennen:
Dein Mitmensch quält sich auch, er macht's wie du, bemüht sich, Dunkles hell und licht zu nennen

und findet doch genauso keine Ruh'!

Warum nicht einmal diesem Wort entsprechen:
"Kommt alle her zu mir..."? Wer kommt wird frei!
An seinem Kreuz muss alle Schuld zerbrechen, die Last wird leicht, die Ängste sind vorbei.

Doch nichts geschieht, solange wir noch stehen und dem nicht folgen, der so freundlich spricht.
Es ist an dir zu hören und zu gehen...
So wirst du frei und ledig - anders nicht!

AMEN